Kurztest: Netflix in Deutschland gestartet

Die Serie "House of Cards" ist mit dabei | Foto: Redaktion

Lange erwartet, jetzt gestartet: Die Onlinevideothek Netflix ist offiziell in Deutschland verfügbar. Wir haben sie ausprobiert und geben einen Überblick über Inhalte und Preise.

Wie erwartet ist heute (16.09.2014) Netflix Deutschland offiziell gestartet. Global gesehen ist der US-Anbieter aus dem kalifornischen Los Gatos Marktführer, doch in Deutschland trifft er auf zahlreiche Konkurrenten, die hier zum Teil seit Jahren aktiv sind. Schon deshalb bedeutet der Eintritt von Netflix in den deutschen Markt keine Revolution. Das klang zuletzt sogar in den überraschend zahlreichen Berichten in den Massenmedien durch.

Der Hype um den von vielen ersehnten Start ist derzeit der größte Vorteil des neuen Konkurrenten im deutschen Video-on-Demand-Markt. Wer wissen möchte, ob Netflix Deutschland die Erwartungen zumindest annähernd erfüllen kann, bekommt ohne Anmeldung inklusive Zahlungsdaten allerdings nicht einmal einen Überblick zu den gebotenen Inhalten. Der erste Monat ist zwar gratis und man bis kurz vor Ablauf das Testabo kündigen – aber schließt man deshalb eher auf gut Glück ein Abonnement ab?

Ohne Anmeldung gibt es keinen Blick auf die Inhalte | Screenshot: Redaktion
Ohne Anmeldung gibt es keinen Blick auf die Inhalte | Screenshot: Redaktion

Ob man von der zum Start gebotenen Auswahl enttäuscht ist, hängt natürlich von den eigenen Erwartungen ab. Verstecken muss Netflix die aktuelle Auswahl unserer Meinung nach jedoch nicht, dazu gleich mehr. Wir haben die Onlinevideothek auf einem PC und auf einem Smart TV ausprobiert und sind recht zufrieden, was weniger am im Vergleich zum deutschen frisch „renovierten“ Marktführer maxdome merklich kleineren Angebot liegt. Auf Anhieb überzeugt hat uns die übersichtliche Benutzeroberfläche für den PC und das Bewertungssystem für personalisierte Video-Vorschläge. Außerdem unterstützt der Anbieter sehr viele verschiedene Endgeräte und ist großzügig, was die Nutzung und die Zahl der aktivierten Geräte angeht.

Inhalte bewerten bei Netflix | Screenshot: Redaktion
Inhalte bewerten bei Netflix | Screenshot: Redaktion

Was kostet es?

Wer die Website netflix.de besucht, kann dort nicht viel mehr machen, als sich anzumelden. Dort muss man sich für eine Bezahlvariante entscheiden. Positiv aufgefallen ist uns, dass hier neben der Zahlung mit Kreditkarte das Bezahlen via PayPal und Kontoeinzug möglich sind. Drei Tarife stehen zur Wahl, wobei in allen auf das gesamte Archiv zugegriffen werden kann. Sie unterscheiden sich in der Anzahl der gleichzeitig verfügbaren Streams und der Bildqualität.

Drei Tarife stehen zur Wahl | Screenshot: Redaktion
Drei Tarife stehen zur Wahl | Screenshot: Redaktion

Für 7,99 Euro/Monat kann jeweils nur von einem Endgerät aus Netflix genutzt werden und es wird nur Standardauflösung geboten. Für 8,99 Euro/Monat können zwei Nutzer gleichzeitig Videos streamen und das in HD-Auflösung. Sollen es vier Streams gleichzeitig sein (sinnvoll für Familien und Wohngemeinschaften) und möchte man (so weit verfügbar) Inhalte in 4K-Auflösung sehen, erhöht sich der Preis auf 11,99 Euro/Monat.

Netflix auf einem Smart TV | Foto: Redaktion
Netflix auf einem Smart TV | Foto: Redaktion

Wichtig zu wissen: Die beschriebene Beschränkung bezieht sich ausschließlich auf die gleichzeitige (!) Nutzung mit verschiedenen Geräten. Es gibt kein Limit dafür, wie viele Geräte man überhaupt „anmelden“ kann. Das stellt Netflix zwar nicht heraus, aber wir haben uns das im Service-Chat bestätigen lassen. Das ist übrigens ein weiterer kleiner Pluspunkt: Statt die kostenlose Service-Hotline anzurufen, kann man einfach einen Chat starten. Wir mussten zwar rund 8 min auf einen Mitarbeiter warten, aber die voraussichtliche Wartezeit wurde eingeblendet. Dann wurde unsere Frage freundlich beantwortet. Angenehme Überraschung: Das Chat-Protokoll konnten wir uns per E-Mail schicken lassen. Das ist ein guter Service und erspart dem Support mit Sicherheit einige erneute Fragen zum selben Thema.

Es sollte also kein Problem sein, den eigenen Account mit der ganzen Familie zu teilen. Netflix unterstützt dies sogar, indem die Personalisierung des Angebots auf Basis des Nutzergeschmacks für mehrere Profile getrennt erfolgen kann. Nur weil die Kinder gerne „Emily Erdbeer“, „Tim und Struppe“ und „My Little Pony“ gucken, werden einem als Erwachsenen also nicht lauter Kindersendungen vorgeschlagen. Stichwort Kinderprogramm: Wie manch andere Onlinevideothek bietet Netflix einen „KiDS“-Bereich mit eigener Startseite.

Mit Nutzerdaten zum Erfolg

Der Erfolg von Netflix gründet zu wesentlichen Teilen auf der Auswertung von Userdaten. Deshalb ergibt es Sinn, neue Kunden zuerst Inhalte bewerten zu lassen. Als weitere Auswahlhilfe dienen die Bewertungen von Freunden bei Facebook, aber spätestens hier sollte man innehalten und sich fragen, ob man solche Informationen überhaupt via Facebook teilen möchte. Die Bewertung zu Anfang und die Anbindung an Facebook ähnelt übrigens dem, was wir bereits vom Konkurrenten WATCHEVER kennen.

Bewertungen als Basis für persönliche Vorschläge | Screenshot: Redaktion
Bewertungen als Basis für persönliche Vorschläge | Screenshot: Redaktion

Später lassen sich ebenfalls Inhalte bewerten, die man bereits kennt. Wir haben beim Testen fleißig bewertet und konnten feststellen, dass die Empfehlungen dadurch immer besser zu unserem Geschmack passten. Das Interessanteste dabei ist allerdings, dass Netflix für noch nicht bewertete Videos auf einer Sternchen-Skala eine Prognose wagt, wie gut einem das jeweilige Video gefallen wird. Das ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Systemen, die nur undifferenziert Empfehlungen aussprechen.

Verbindung zu Facebook | Screenshot: Redaktion
Verbindung zu Facebook | Screenshot: Redaktion

Wie bei solchen Video-on-Demand-Angeboten üblich lässt sich über eine freie Suche, auf Basis von Schauspieler-Tags und über die Auswahl von Kategorien nach Inhalten suchen. Gut gefällt uns die Unterteilung in „Subgenres“: So kann man sich in der Kategorie „Action“ noch für „Actionkomödien“, „Actionkrimis“, „Action-Thriller“ und „Martial Arts“ entscheiden. Hier wird allerdings schnell deutlich, wie wenig Netflix in manchen dieser „Subgenres“ bisher vorweisen kann. Welche Rechte als nächstes eingekauft werden, wird stark von den Usern abhängen, insofern dürfte es besonders jetzt wichtig sein, durch Bewertungen zu zeigen, was einen interessiert.

Blick in die Kategorie "Action" | Screenshot: Redaktion
Blick in die Kategorie „Action“ | Screenshot: Redaktion

Leider wird nicht angezeigt, wie viele Videos es in einer Kategorie oder zu einer Suchanfrage gibt. Ist vielleicht besser so, denn manche Bereiche sind recht mager bestückt, wenn man das mit den hierzulande etablierten großen Konkurrenten vergleicht. Die Auswahl an Filmen, Serien und Dokus kann sich dennoch sehen lassen, weil es sich um eine solide Mischung aus aktuellen und alten sowie bekannten und weniger bekannten Inhalten handelt. Wirklich Neues darf man schon deshalb nicht erwarten, weil es sich um ein reines Flatrate-Angebot handelt.

Was ist zu sehen?

Eine Ausnahme bilden Eigenproduktionen wie „Orange Is The New Black“, „Hemlock Grove“ und „The Killing“. Sogar „House of Cards“, das in Deutschland zuerst bei Sky zu sehen war und Eigenproduktionen von Video-on-Demand-Anbietern allgemein zum Thema gemacht hat, ist mit beiden Staffeln dabei. Das gemeinsam mit dem norwegischen Rundfunk NRK produziere „Lilyhammer“ fehlt dagegen. „Demnächst“ sollen die Abenteuerserie „Marco Polo“, die „Superheldenserie Marvel’s Daredevil“ und das Science-Fiction-Drama „Sense8“ hinzukommen.

Blick in den Serienbereich | Screenshot: Redaktion
Blick in den Serienbereich | Screenshot: Redaktion

Serienfans können ansonsten beispielsweise „Breaking Bad“ (alle 5 Staffeln), „The Walking Dead“ (3 Staffeln), „Prison Break“ (alle 4 Staffeln), „Modern Family“ (3 Staffeln), „Pretty Little Liars“ (3 Staffeln), „Sons of Anarchy“ (3 Staffeln), „American Horror Story“ (2 Staffeln), „Dexter“ (6 Staffeln), „Suits“ (2 Staffeln), „New Girl“ (2 Staffeln), „Fringe“ (alle 5 Staffeln), „Lie to me“ (alle 3 Staffeln), „White Collar“ (2 Staffeln), „Defiance“ (1 Staffel), „4400“ (alle 4 Staffeln), „Bates Motel“ (1 Staffel),  „Breakout Kings“ (beide Staffeln), „Life“ (beide Staffeln), „Sherlock“ (3 Staffeln), „Stargate: Atlantis“ (alle 5 Staffeln), „Orphan Black“ (1 Staffel) sehen.

Immerhin 6 Staffeln von "Dexter" sind abrufbar | Foto: Redaktion
Immerhin 6 Staffeln von „Dexter“ sind abrufbar | Foto: Redaktion

Manche davon sind oder waren bei anderen Video-on-Demand-Anbietern in Deutschland zu sehen, andere nicht. Steht neben der deutschen Synchronfassung die Originalfassung zur Verfügung, kann man während eines laufenden Videos auf die jeweils andere Sprachversion umschalten (dauert ein bis zwei Sekunden). Gut: Sofern vorhanden lassen sich Untertitel einblenden.

Untertitel in der Serie "Breaking Bad" | Screenshot: Redaktion
Untertitel in der Serie „Breaking Bad“ | Screenshot: Redaktion

Auffällig ist, dass die Kunden vom Start weg unter sehr vielen verschiedenen Endgeräten wählen können, die den neuen Dienst unterstützen. Das hängt stark damit zusammen, dass Netflix in anderen Ländern seit Jahren Schritt für Schritt immer mehr verschiedene Geräte unterstützt hat. Die jeweiligen Apps mussten also nur angepasst werden.

Auf dem Fernseher

Ausprobiert haben wir Netflix bisher auf einem Windows-PC und einem Samsung Smart TV (aus 2013). So übersichtlich und kundenfreundlich die Benutzeroberfläche sich auf dem PC zeigt, ist sie in der Samsung Smart TV App nicht. Wir raten deshalb dazu, am Computer zu stöbern und alle für Euch infrage kommenden Inhalte auf Eure Merkliste zu setzen. Das liegt weniger an der insgesamt gut gemachten Smart TV App, sondern daran, dass sich mittels TV-Fernbedienung (wie bei anderen Anbietern) viel schlechter navigieren lässt.

Merkliste in Smart TV App | Foto: Redaktion
Merkliste in Smart TV App | Foto: Redaktion

Eine wasserfeste Aussage zur Bildqualität können wir nach dem ersten Testen nicht treffen; vor allem wissen wir nicht, wie gut sie in den Hauptnutzungszeiten sein wird. Vom ersten Eindruck her sind wir aber zufrieden. Die Verfügbarkeit auf vielen verschiedenen Smart TVs, Blu-ray-Playern und Heimkinosystemen, Set-Top-Boxen, Spielkonsolen, Smartphones und Tablets dürfte Netflix einen Vorteil gegenüber der teilweise weit schlechter aufgestellten Konkurrenz einbringen. In einer Pressemitteilung gibt das Unternehmen folgende allgemeine Übersicht unterstützter Endgeräte:

Blu-ray-Player:

LG, Panasonic, Samsung, Sony, Toshiba

Computer:
Mac, Windows-PCs, Chrome OS

Spielkonsolen:
PlayStation (PS3, PS4), Wii, Wii U, Xbox 360, Xbox One

Heimkinosysteme:
LG, Panasonic, Samsung, Sony

Smart TVs:
LG, Panasonic, Philips, Samsung, Sharp, Sony, Toshiba

Internet-Medien-Player:
Apple TV, Google Chromecast

Smartphones und Tablets:
iOS-Smartphones und -Tablets, Android-Smartphones und -Tablets,
Windows Phone

Auf vielen Endgeräten nutzbar | Bild: obs/Netflix
Auf vielen Endgeräten nutzbar | Bild: obs/Netflix

Bei manchen Gerätearten wie Fernsehern gibt es nicht für sämtliche Modelle eines Herstellers eine Netflix-App. Im Hilfebereich, der ein wenig unübersichtlich wirkt, aber sehr viele Infos bietet, lässt sich das überprüfen.

Fazit

Wir hatten keine überwältigend große Auswahl erwartet und sind daher in diesem Punkt nicht enttäuscht. Sehr gut gefällt uns die Vielzahl unterstützter Endgeräte und die Möglichkeit, Netflix auf einer unbegrenzten Anzahl von Geräten verwenden zu können. Eine gute Struktur und eine übersichtliche, funktional gehaltene Benutzeroberfläche sind aus unserer Sicht weitere Stärken des neuen Anbieters. Das führt zu einem positiven Gesamteindruck.

Über Oliver Springer 796 Artikel
Seit 2008 bin ich im Hauptberuf Blogger und schreibe für eigene Projekte und im Auftrag zu einer Reihe von Themen, darunter Telekommunikation, Medien, Video-on-Demand, Fernsehen, Kabelanschluss, IPTV, Instant Messaging, Musik und Kaffee. Als Serienfan interessiere ich mich besonders für Onlinevideotheken und Pay-TV. Vor meiner Zeit als Blogger hatte ich 14 Jahre lang als Moderator und Redakteur für den Radiosender JAM FM gearbeitet, wo ich später auch den Internetauftritt betreute.

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