Neuer TV-Sender: Aus dem ZDFtheaterkanal wird ZDFkultur

Den ZDFtheaterkanal soll es in Zukunft nicht mehr geben. Der digitale TV-Sender wird zum 1. April komplett umgebaut und geht dann als ZDFkultur auf Sendung. Popkultur und Spiel sollen die beiden Hauptsäulen des neuen Spartenkanals werden. Der Begriff Kultur wird extrem weit ausgelegt.

Letztes Jahr im November wurde aus ZDFdoku der neue TV-Sender ZDFneo. Fast ein Jahr später kündigt ZDF-Intendant Markus Schächter einen ähnlichen Umbau beim ZDFtheaterkanal an. Zum 1. April 2011 wird aus dem digitalen Fernsehsender ZDFkultur, wobei ein sehr weiter Kulturbegriff zugrunde gelegt wird. Theater und Oper werden auch in Zukunft ein wichtiger Programmbestandteil sein, doch bei ZDFkultur soll es eine Trennung zwischen Hochkultur und Popkultur nicht mehr geben. Da der Relaunch Teil der Bemühungen ist, die Zuschauerschaft des ZDF zu verjüngen, werden Popkultur und Spiel die beiden wichtigsten Säulen im neuen Programm.

„Die Sehgewohnheiten der Zuschauer haben sich geändert. Das Interesse für Kultur ist hoch, aber die Formen der Darbietung, der Erzählweisen und der Nutzung sind anders, spielerischer und auch stärker von einem Mitgestaltungsinteresse geprägt“, erklärte Markus Schächter. Man möchte Zugangsbarrieren zu kulturellen Inhalten bei jungen Fernsehzuschauern abbauen und junge Zuschauer für kulturelle Inhalte interessieren. Nach Auffassung des ZDF-Intendanten habe Popkultur keine audiovisuelle Heimat in Deutschland, diese angebliche Lücke soll mit dem neuen digitalen TV-Sender geschlossen werden.

Zu den Programminhalten von ZDFkultur werden neben viel Musik die Darstellenden Künste, Filmkultur, Netzkultur und sogar Gaming zählen. Das alles soll zu einem in der deutschen Medienlandschaft bisher einmaligen, neuartigen Gesamtangebot zusammengefügt werden. Deshalb gehören Oper und Theater genauso zum Programm wie Aufzeichnungen von Pop-Festivals und aus großen Konzerthäusern sowie Themenabende zu „kulturellen Gegenständen“. Ebenso wie der Begriff Kultur wird der Begriff Spiel bei ZDFkultur aus vielen verschiedenen Perspektiven aufgegriffen und reicht so vom Theaterspiel bis zum Computerspiel. Dabei gehe es um das Spielerische als Kulturform, das den Markenkern des neuen TV-Senders ausmache, erklärte Schächter.

Das neue Programmangebot wird teurer als das alte: Dieses Jahr stehen dem ZDFtheaterkanal 8,08 Millionen Euro zur Verfügung, im nächsten Jahr sollen 12,58 Millionen Euro für ZDFkultur zur Verfügung stehen. Dafür soll es innerhalb des ZDF-Etats zu Umschichtungen kommen. Die Erhöhung der Programmkosten nach dem Relaunch hält sich in Grenzen, weil man sich auf die Sendezeit zwischen 18 und 24 Uhr konzentrieren möchte. Nachts und morgens sind in erster Linie Wiederholungen vorgesehen.

Die Hauptzeit selbst besteht aus drei Teilen: Zwischen 18 und 20 Uhr sind Popmusik und Animationsfilme geplant. Um 20 Uhr folgt der „Marker“, ein selbstproduziertes Popkulturformat mit verschiedenen Moderatoren, das besonders im Online-Auftritt des neuen Spartensenders eine Hauptrolle spielen wird. Um 20:15 Uhr beginnen die täglichen Themenabende. Schon bei bei ZDFneo ist Musik ein wichtiges Thema im Programm, aber bei ZDFkultur wird es noch viel stärker um Musik gehen. „Mit insgesamt 48 Stunden Popmusik pro Woche bietet ZDFkultur breiten Raum für alle Facetten von Pop und Rock, über Alternative und Indie bis hin zu Hip-Hop und Heavy Metal“, kündigt das ZDF für ZDFkultur an.

Ein Erkennungszeichen des neuen öffentlich-rechtlichen Digitalsenders soll die Wiedereinführung von Sendermoderation sein. Dabei soll den Zuschauern aber mehr geboten werden als bloße Programmansagen: „Die Moderatoren werden sich an exponierten Stellen mit kritischen und witzig-ironischen Anmerkungen einschalten, die Programme einordnen, kommentieren und inhaltliche Überleitungen schaffen“, heißt es in der Presseinfo.

Kommentar: Die angekündigte Umwandlung des ZDFtheaterkanals in ZDFkultur klingt vielversprechend. Wenn es dem ZDF allerdings wirklich ernst wäre mit dem Anliegen, jüngere Zuschauer an sich zu binden, bräuchte es mehr Mut zu Innovationen im Hauptprogramm. Aber danach sieht es nicht aus. Der kürzliche Hype um die US-Serie „Mad Men“, die auf ZDFneo ihre Free-TV-Premiere feierte, hätte ein solcher Schritt sein können.

Für ZDFneo waren die im Schnitt 80.000 Zuschauer und der verdoppelte Marktanteil von 0,2 auf 0,4 Prozent ein großer Erfolg. Warum traut man sich nicht einmal, ein mit zahlreichen Preisen bedachtes TV-Highlight wie „Man Men“ ins Hauptprogramm des ZDF zu setzen? Angesichts des 60er-Jahre-Fokus und der Eleganz dieser TV-Serie wäre sie, anders als die ebenfalls bei ZDFneo laufenden Serien „30 Rock“ und „Weeds“, kein irritierender Fremdkörper.

Über Oliver Springer 796 Artikel
Seit 2008 bin ich im Hauptberuf Blogger und schreibe für eigene Projekte und im Auftrag zu einer Reihe von Themen, darunter Telekommunikation, Medien, Video-on-Demand, Fernsehen, Kabelanschluss, IPTV, Instant Messaging, Musik und Kaffee. Als Serienfan interessiere ich mich besonders für Onlinevideotheken und Pay-TV. Vor meiner Zeit als Blogger hatte ich 14 Jahre lang als Moderator und Redakteur für den Radiosender JAM FM gearbeitet, wo ich später auch den Internetauftritt betreute.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.