RTL soll an DVB-T festhalten, fordert Medienanstalt Berlin-Brandenburg

Logo der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb)
Logo: Medienanstalt Berlin-Brandenburg

Die Entscheidung der RTL-Gruppe, in Zukunft auf frei empfangbares digitales terrestrisches Fernsehen zu verzichten, wird von vielen kritisiert. Nun mischt sich der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg in die Diskussion ein und fordert ein Festhalten an DVB-T, zumindest bis das Internet als Ersatz herhalten kann.

Bei Verbraucherschützern und Landesmedienanstalten hat sich RTL Deutschland mit dem Ausstiegsbeschluss bei DVB-T keine Freunde gemacht. Dabei geht es weniger darum, den Fernsehzuschauern unbedingt Inhalte wie das Dschungelcamp, Castingshows mit Dieter Bohlen, Promi-Dinner aller Art und zahlreiche Scripted-Reality-Formate zu erhalten. Die nicht unbegründete Sorge ist vielmehr, dass es zu einem Domino-Effekt kommt, digitales Antennenfernsehen ohne die RTL-Sender insgesamt an Attraktivität verliert und deshalb andere Programmveranstalter ebenfalls auf DVB-T verzichten könnten.

Interessen der Zuschauer zu wenig berücksichtigt?

Jetzt meldet sich der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg zu Wort und kritisiert, mit der „Ankündigung, Ende 2014 die Verbreitung über DVB-T einzustellen, stellt RTL sein betriebswirtschaftliches Ziel der Einsparungen in den Vordergrund und hat dabei die Interessen seiner Zuschauer (noch) nicht genügend berücksichtigt.“ Anders als in ländlichen Gegenden bestehe für die Bewohner der Ballungsräume oft keine Möglichkeit, auf die Alternative Direktempfang via Satellit auszuweichen. In Berlin empfangen fast 20 Prozent der Haushalte das digitale Antennenfernsehen, jeder zweite dieser Haushalte nutzt keinen weiteren Empfangsweg.

Daher fordert der Medienrat RTL auf, so lange über DVB-T zu senden, „bis das offene Internet bei der Versorgung innerhalb von Gebäuden seine Funktion übernehmen kann und Verbrauchern wie Inhalteanbietern neue Möglichkeiten bietet“, wie es in der Pressemitteilung formuliert ist. Die TV-Versorgung für die mobile Nutzung außerhalb von Gebäuden sei von diesem Thema allerdings zu trennen. Es kommt nicht überraschend, dass gerade die Medienanstalt Berlin-Brandenburg DVB-T verteidigt. In Berlin wurde einst als erstes das analoge Fernsehen über Antenne abgeschaltet, die Medienanstalt hat DVB-T stark unterstützt.

Kabelanschluss und IPTV kosten laufend Geld

Die Bewohner der Ballungsräume sollten nicht allein auf Fernsehen über Kabel oder IPTV angewiesen sein, da bei diesen Empfangswegen laufende Kosten entstehen, wird argumentiert. Ein wenig Verständnis zeigen die Medienwächter für die Überlegungen bei RTL jedoch: „RTL ist darin zuzustimmen, dass ein Umstieg auf DVB-T 2, der frühestens 2016 beginnen könnte und für den Verbraucher die Notwendigkeit bedeuten würde, neue Geräte zu beschaffen, in Deutschland wenig sinnvoll ist.“ Zudem sei abzusehen, dass die Terrestrik auf mittlere Sicht von einer Übertragung via Internet abgelöst werde. Schließlich wird darauf verwiesen, dass manche Fernsehprogramme schon heute in hoher Qualität frei über das Internet zu sehen sind.

Private wie öffentlich-rechtliche Fernsehsender sollten sich zum Ziel setzen, ihre Signale über das offene Internet zur Verfügung zu stellen. Für die Zuschauer müsse der Umstieg jedoch kostengünstig möglich sein und er müsse sozialverträglich gestaltet werden. Hierbei gelte es, die Anforderungen an Netzausbau sowie an Medien- und Netzpolitik zu klären. Das Thema Netzneutralität gewinne dadurch neue Aktualität, ebenso die Frage der Priorisierung des Rundfunks und der Medien allgemein.

Einschätzung

Der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg formuliert seine Kritik an RTL auffallend konstruktiv. Das Argument, dass in den Ballungsräumen Sat-Empfang für zu viele Menschen keine Alternative sei, lassen wir mal so stehen. Doch ist es nicht gerade in den Ballungsräumen möglich, schnelle Internetanschlüsse zu bekommen, die den TV-Empfang in HD-Auflösung (und damit in sehr viel besserer Qualität als über DVB-T) ermöglichen? Über Plattformen wie Zattoo kann am PC (zum Beispiel mit der neuen Windows 8 App von Zattoo) und über Zusatzgeräte wie etwa die hier im Blog getestete Set-Top-Box VideoWeb TV auf dem Fernseher schon eine recht große Auswahl an TV-Programmen ohne Zusatzkosten angesehen werden. Sicher, die beiden großen deutschen TV-Konzerne sind in Deutschland noch nicht mit im Boot, aber bei entsprechender Einigung könnten die Sender von RTL Deutschland und ProSiebenSat.1 umgehend dabei sein. Ein Internetanschluss sorgt zwar für laufende Kosten, aber den braucht heute sowieso jeder für alle möglichen Zwecke.

Neben der sehr viel besseren Qualität, die bei TV-Livestreams im Internet im möglich ist, spricht auch die geringe Programmauswahl gegen DVB-T. Selbst in den wenigen Gebieten Deutschlands, in denen um die 30 Sender via DVB-T zu empfangen sind, ist die Auswahl damit im Vergleich zu allen anderen Empfangswegen lächerlich gering. Medienvielfalt und DVB-T passen insofern nicht zusammen.

Logo links oben: Medienanstalt Berlin-Brandenburg

Über Oliver Springer 796 Artikel
Seit 2008 bin ich im Hauptberuf Blogger und schreibe für eigene Projekte und im Auftrag zu einer Reihe von Themen, darunter Telekommunikation, Medien, Video-on-Demand, Fernsehen, Kabelanschluss, IPTV, Instant Messaging, Musik und Kaffee. Als Serienfan interessiere ich mich besonders für Onlinevideotheken und Pay-TV. Vor meiner Zeit als Blogger hatte ich 14 Jahre lang als Moderator und Redakteur für den Radiosender JAM FM gearbeitet, wo ich später auch den Internetauftritt betreute.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.