Die Sendergruppe ProSiebenSat.1 hat überraschend erklärt, am digitalen terrestrischen Fernsehen (DVB-T) festhalten zu wollen. Nach einer Abschaltung der RTL-Sender bei DVB-T könnten kleine ProSiebenSat.1-Sender freigewordene Frequenzen erhalten.
Die ProSiebenSat.1 Group hat mit MEDIA BROADCAST eine Vereinbarung zur Verlängerung der Verbreitung der eigenen Sender via DVB-T über das Jahr 2014 hinaus getroffen. Damit hatte wohl fast niemand gerechnet: ProSiebenSat.1 setzt in den nächsten Jahren weiter auf das digitale Antennenfernsehen.
DVB-T-Haushalte nutzen besonders stark ProSiebenSat.1-Sender
So wolle man den „Zuschauern einen breiten Zugang zu ihren Programmen“ sichern und eine „flächendeckende Reichweite für den Werbemarkt“ gewährleisten, wird das Festhalten an DVB-T in einer Pressemitteilung der ProSiebenSat.1 Media AG begründet. Außerdem würden laut GfK-Fernsehpanel DVB-T-Haushalte überdurchschnittlich stark die Programme der Sendergruppe nutzen.
Conrad Albert, Vorstand Legal, Distribution & Regulatory Affairs: „Wir haben uns dazu entschieden, auch weiterhin unsere Programme einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Damit sichern wir die Übertragung des Antennenfernsehens für Millionen von Haushalten in Deutschland. Jetzt erwarten wir eine tatkräftige Unterstützung aus der Politik, um diesen Übertragungsweg wirtschaftlich tragfähig zu halten.“
Bernd Kraus, CEO MEDIA BROADCAST GmbH: „Wir haben uns auf eine Weiterführung der DVB-T-Verbreitung bis 2018 geeinigt. Mit den Inhalten von ProSiebenSat.1 bietet das digitale Antennenfernsehen den Zuschauern auch zukünftig eine vielfältige Programmauswahl – bequem und kostengünstig. Unsere Vereinbarung belegt die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der digitalen Terrestrik.“
Das Gegenteil war erwartet worden
Allgemein war nach der von vielen Seiten kritisierten Ausstiegsankündigung von RTL damit gerechnet worden, dass auch die andere große private Sendergruppe DVB-T den Rücken kehren würde. Für diesen Fall wurde bereits über ein Ende von DVB-T in Deutschland spekuliert. Mit der für mehrere Jahre geltenden Vereinbarung hat ProSiebenSat.1 das digitale terrestrische Fernsehen in Deutschland vorerst gerettet, denn schon der DVB-T-Abschied von RTL wird die Attraktivität dieses Empfangswegs deutlich verringern. Bei einem Ausstieg von ProSiebenSat.1 wären restlichen Programmveranstalter wohl gefolgt und DVB-T hierzulande gescheitert.
Der Attraktivitätsverlust durch den Wegfall von RTL, VOX, RTL II, SUPER RTL und n-tv könnte allerdings durch die Aufschaltung anderer Sender auf den freiwerdenden Frequenzen gemildert werden. Gegenüber der FAZ zeigte Vorstandmitglied Conrad Adalbert Interesse an DVB-T-Frequenzen für die kleinsten Sender bei ProSiebenSat.1. Denkbar ist also, dass sogar das erst im Januar gestartete Sat.1 Gold und der unter dem Arbeitstitel ProSieben MAXX noch in der Vorbereitung befindliche neue Free-TV-Sender Frequenzen von RTL-Sendern übernehmen. Eine solche Starthilfe in Form größerer technischer Reichweite könnte sich auch angesichts der im Vergleich zu anderen TV-Empfangswegen hohen Verbreitungskosten lohnen. Zudem ist es aus strategischer Sicht eine Chance für ProSiebenSat.1, insgesamt an Reichweite gegenüber RTL zu gewinnen.
Terrestrisches Fernsehen hat nur mit DVB-T2 eine Zukunft
Das neuerliche Interesse bei ProSiebenSat.1 ändert jedoch nichts an den grundsätzlichen Problemen von DVB-T: zu geringe Auswahl an Programmen und eine im Vergleich zu Kabel, Satellit und IPTV kaum konkurrenzfähige Bildqualität. Beide Probleme ließen sich durch einen Umstieg auf den Standard DVB-T2 größtenteils lösen. Dann könnten deutlich mehr Sender verbreitet werden, und HDTV wäre ebenfalls möglich – so wie beispielsweise in Frankreich, wo es im digitalen Fernsehen nicht nur eine höhere Zahl an Programmen zur Auswahl gibt, sondern auch eine Reihe von HD-Sendern digital-terrestrisch zu sehen ist.
In Österreich beginnen die ersten TV-Sender offiziell Mitte dieses Monats mit der Ausstrahlung in DVB-T2. Dann sollen mehr als 40 Sender zu empfangen sein, darunter immerhin neun HDTV-Programme. Zu diesen gehören mit RTL HD, ProSieben HD, SAT.1 HD und VOX HD auch je zwei HD-Sender der beiden großen deutschen Sendergruppen. Es kommt also auf die Rahmenbedingungen an, ob die Programmanbieter sich für digitales terrestrisches Fernsehen engagieren oder nicht.
Logo links oben: ProSiebenSat.1 Media AG
Hinterlasse jetzt einen Kommentar