Angesichts der Diskussion um die Drosselungs-Pläne der Deutschen Telekom spricht derzeit kaum noch jemand über das für Onliner weit größere Problem beim Thema Breitband-Internet: zu niedrige Bandbreiten. Viele Haushalte müssen generell mit deutlich weniger Bandbreite auskommen als sie bestellt hatten. Daher ist die Wechselbereitschaft laut einer aktuellen Studie hoch.
Das große Internet-Aufreger-Thema sind derzeit die Telekom-Pläne, die Geschwindigkeit ihrer Internetanschlüsse ab Erreichen eines gewissen Datenvolumens stark zu verlangsamen. Nicht nur Netzaktivisten und Heavy-User üben heftige Kritik an dem Vorhaben, so mancher Politiker und natürlich Verbraucherschützer (die Verbraucherzentrale NRW hat die Telekom heute sogar abgemahnt) haben Widerstand angekündigt. So unangenehm die Drosselung eines Highspeed-Anschlusses nach Erreichen eines bestimmten Datenlimits ist, sollte ein anderes Problem dabei nicht aus dem Blick geraten: Ein großer Teil der Onliner erhält vom jeweiligen Provider deutlich weniger Bandbreite als gebucht.
Sicher, in der Werbung der Internetprovider werden stets Formulierungen wie „bis zu“ verwendet, nur wenige Internetanbieter sichern die beworbenen Geschwindigkeiten tatsächlich zu. Nicht wenige User können froh sein, wenn sie wenigstens die Hälfte der beworbenen Internetgeschwindigkeit erhalten. Das sorgt für Ärger. Daher könnten die Internetprovider bis zu 40 Prozent ihrer Kunden verlieren, mahnt Steria Mummert Consulting in einer aktuellen Markteinschätzung.
Verbraucher sind enttäuscht
Wie groß die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Geschwindigkeit und der vereinbarten „bis zu“-Bandbreite oft ist, zeigen die letzten Monat von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Ergebnisse einer Messkampagne der Initiative Netzqualität mit mehr als einer halben Million Teilnehmern. Schon die hohe Teilnehmerzahl könnte den Providern zu denken geben. „Kaum ein Kunde surft mit der kompletten Übertragungsrate im Netz“, stellt Steria Mummert Consulting zu den Ergebnissen fest. Die „Liefertreue“ sei jedoch einer der wichtigsten Faktoren für Kundenzufriedenheit. Je weiter die vereinbarte „bis zu“-Geschwindigkeit von der Realität abweicht, desto unzufriedener sind die User.
„Es ist marktentscheidend, die Abweichungen zwischen versprochener und verfügbarer Bandbreite möglichst gering zu halten“, sagt Reinhold Weber von Steria Mummert Consulting. „40 Prozent der Kunden sind wechselwillig. Die Nichteinhaltung der vereinbarten Datenübertagungsraten, könnte sie letztendlich zu einem Wechsel treiben.“ Diese Unterschiede stellen nicht nur im Festnetzmarkt ein Problem dar, sondern auch beim mobilen Internet, speziell beim neuen Standard Long Term Evolution (LTE): „Ein Imageschaden des neuen mobilen Highspeed-Internets wäre fatal“, so Weber. LTE kam bei den Messungen jedoch besonders schlecht weg, denn bloß 1,6 Prozent der entsprechenden Teilnehmer am Netztest erzielten die angekündigten Übertragungsraten von 25 bis 50 MBit/s (wobei die Abweichungen in den Ballungsräumen deutlich höher als in ländlichen Gebieten waren).
In diesem Zusammenhang ist der heute von der Bundesnetzagentur veröffentlichte „Jahresbericht 2012“ interessant. „Zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach höheren Bandbreiten gibt es bundesweit nach wie vor eine große Diskrepanz. Die Unternehmen bieten zunehmend Geschwindigkeiten von mindestens 16 MBit/s oder gar über 100 MBit/s an. Trotzdem nutzen noch ca. 60 Prozent der Breitbandkunden Bandbreiten von weniger als 10 MBit/s, obwohl höhere Bandbreiten verfügbar sind“, so Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, bei der Vorstellung der aktuellen Marktdaten und Zahlen. Vielleicht ist ein Grund dafür, dass die Verbraucher nicht mehr viel auf die von den Internetprovidern genannten Bandbreiten geben?
4,4 Millionen Haushalte nutzen Internet über den Kabelanschluss
Der Markt ist allerdings durchaus in Bewegung: Ende 2012 gab es in Deutschland 28 Millionen Breitbandanschlüsse, ein Jahr zuvor waren es 27,3 Millionen. Die Zahl der DSL-Anschlüsse ging – wenngleich auf hohem Niveau – erstmals seit Einführung dieser Technologie in Deutschland zurück: von 23,5 Millionen Ende 2011 auf 23,3 Millionen Ende 2012. Bei einem Providerwechsel entscheiden sich nicht alle Wechsler für einen neuen DSL-Anschluss, einige wählen stattdessen Kabelinternet als Alternative. Die Kabelnetzbetreiber konnten im vergangenen Jahr die Zahl ihrer Internetanschlüsse um 800.000 auf insgesamt rund 4,4 Millionen steigern. Dazu muss man wissen, dass Highspeed-Internet über den Kabelanschluss inzwischen auch in vielen ländlichen Gebieten verfügbar ist und die DSL-Provider den Kabelunternehmen dort oft nicht viel entgegenzusetzen haben.
DSL (einschließlich der schnellen Variante VDSL) und Kabelinternet sind zwar nicht die einzigen Möglichkeiten für Breitbandinternet, doch andere spielen in Deutschland kaum eine Rolle. Lediglich 0,3 Millionen Breitbandanschlüsse entfallen auf andere Technologien. Glasfaseranschlüsse, die bis in die Wohnungen reichen (FTTH), sind in Deutschland fast gar nicht verbreitet. Bei Glasfaseranschlüssen reicht es für Deutschland nicht einmal, um überhaupt in die aktuelle Statistik des FTTH Council Europe zu kommen.
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