Große Pläne bei ProSiebenSat.1: FEM TV ab 2. Quartal 2010

In den letzten Tagen wurde bereits über die Pläne bei ProSiebenSat.1 spekuliert, einen neuen Fernsehsender mit der Zielgruppe Frauen zu starten. Heute informiert der TV-Konzern, dass der neue TV-Kanal FEM TV im 2. Quartal 2010 auf Sendung gehen soll. Man sieht eine Marktlücke und möchte das eigene Senderportfolio ergänzen.

Nach den Ankündigungen seitens ProSiebenSat.1 aus der letzten Zeit, neue Einnahmequellen neben dem frei empfangbaren Fernsehen erschließen zu wollen, hatte man eigentlich Pläne für neue Pay-TV-Sender erwartet oder etwas Konkretes aus den Bereichen Video-on-Demand oder mobile Dienste. Stattdessen möchte die German Free TV, in der die deutschen TV-Angebote der ProSiebenSat.1 Group zusammengefasst sind, einen weiteren Free-TV-Sender aufbauen.

Einzigartig in Deutschland sei die Positionierung von FEM TV: „Damit schließen wir eine Marktlücke in Deutschland. Zudem ist das neue Free TV-Angebot eine perfekte Ergänzung unseres bestehenden Portfolios mit SAT.1, ProSieben, kabel eins und N24“, erklärt Andreas Bartl, Vorstand German Free TV der ProSiebenSat.1 Media AG. Zukünftige Senderchefin wird Katja Hofem-Best (39). „Ich freue mich sehr, dass ich mit Katja Hofem-Best eine so erfolgreiche TV-Managerin als Senderchefin gewinnen konnte“, so Andreas Bartl. Ein wenig merkwürdig ist das schon: Katja Hofem-Best ist ausgerechnet dafür bekannt, bei Discovery Networks den Männersender DMAX zum Erfolg geführt zu haben. Nun soll sie diejenige sein, die weiß, was Frauen wollen.

In Deutschland hat es nach dem Scheitern von tm3 keinen neuen Versuch gegeben, einen Special-Interest-Kanal für Frauen im Free-TV aufzubauen. Gleichwohl gibt es innerhalb des Konzerns Erfahrungen: „vijf“ in Belgien, „NET5“ in den Niederlanden und „FEM“ in Norwegen. Darauf möchte man aufbauen. Zu den Themen bei FEM TV schreibt die German Free TV in ihrer heutigen Presseinformation: „Das Programm umfasst Formate rund um die Themen Lifestyle, Musik, Beauty, Food, Reisen und Gesundheit. Ergänzt werden diese durch Extensions von Formaten der deutschen Senderfamilie, wie z.B. ‚Popstars – Das Magazin‘ und erfolgreiche Programme aus anderen Senderfamilien der Gruppe (z.B. ‚S1ngles‘, NL). Ein wesentlicher Bestandteil werden auch deutlich frauen-affine US-Serien sein, die bei FEM TV z.T. in deutscher Erstausstrahlung zu sehen sein werden, u.a. ‚Gossip Girl‘, ‚Hope & Faith‘, ‚Brothers & Sisters‘, ‚Melrose Place‘ oder ‚Ugly Betty‘. Dazu kommen natürlich deutsche Event- und TV-Movies.“

Inhaltlich scheint man also keine ehrgeizigen Ziele zu verfolgen. Um mangelnde Kritik am vermeintlichen Frauenbild bei ProSiebenSat.1 müssen sich die Verantwortlichen schon mal keine Sorgen machen. Allerdings hat man bei ProSiebenSat.1 ein nahezu unschlagbares Argument für ein Fernsehprogramm mit typischen Frauenthemen: „Wir haben den Printmarkt sondiert und festgestellt, dass es über 100 Frauenzeitschriften in Deutschland gibt. Das bestätigt uns: Die Nachfrage ist da – und die möchten wir zukünftig gezielt im TV bedienen“, so Andreas Bartl.

FEM TV fängt nicht bei null an, sondern kann auf einen bereits erfolgreichen Onlineauftritt aufbauen: „FEM TV ist voll konvergent mit fem.com. Das TV-Angebot wird dabei das Onlineangebot konsequent weiter führen bzw. ausbauen. Sind die Kernzielgruppe online Frauen 19- bis 39-Jährige, wird sie im TV auf die 14- bis 49-jährigen Frauen erweitert“, heißt es dazu im Pressetext.

Bei der Vermarktung möchte man sich innerhalb der Senderfamilie nicht selbst Konkurrenz machen, sondern Kunden zur Buchung von TV-Spots bringen, die bislang nicht auf Fernsehwerbung setzen. Wieder orientiert man sich am Print-Markt: „Der Blick auf und in das enorme Angebot an Print-Titeln für Frauen zeigt, dass viele der dort Werbungtreibenden keine TV-Werbung machen – das wollen wir ändern!“ FEM TV soll „Non-TV-Kunden“ den Einstieg in Fernsehwerbung schmackhaft machen.

Bis zu diesem Punkt klingen die Pläne für den Spartensender für Frauen überzeugend. Print und TV sind zwar unterschiedliche Märkte, aber angesichts der Fülle an Frauenzeitschriften erscheint es vielversprechend, den Versuch zu wagen. Was die erzielbaren Marktanteile angeht, erscheint ein mittelfristiger Marktanteil von 2 bis 5 % bei den Frauen im Alter von 14 bis 49 unrealistisch hoch zu sein. FEM TV soll rein digital verbreitet werden, die technische Reichweite soll anfangs 40 %, später bei 60 % erreichen.

Die ProSiebenSat.1 Werbetochter SevenOne Media hatte doch erst im Sommer die Ergebnisse einer Untersuchung bekanntgegeben, nach der die große Vielfalt an Fernsehsendern von der Zuschauerschaft gar nicht angenommen wird. Es gibt in Deutschland bloß 15 TV-Sender, die im ganzen Monat länger als zehn Minuten eingeschaltet werden. Die Fernsehsender ARD, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben und VOX vereinen über 80 % des Fernsehkonsums auf sich. Einen Abschalttermin für analoges Fernsehen im Kabel gibt es immer noch nicht, Deutschland hinkt bei der Digitalisierung zurück, vielen Fernsehzuschauern fehlt es für den Umstieg vom analogen zum digitalen TV-Programm noch an Informationen.

Wie ein neues, rein digitales TV-Programm da mittelfristig auf diese Marktanteile kommen soll, erschließt sich mir nicht.

Über Oliver Springer 796 Artikel
Seit 2008 bin ich im Hauptberuf Blogger und schreibe für eigene Projekte und im Auftrag zu einer Reihe von Themen, darunter Telekommunikation, Medien, Video-on-Demand, Fernsehen, Kabelanschluss, IPTV, Instant Messaging, Musik und Kaffee. Als Serienfan interessiere ich mich besonders für Onlinevideotheken und Pay-TV. Vor meiner Zeit als Blogger hatte ich 14 Jahre lang als Moderator und Redakteur für den Radiosender JAM FM gearbeitet, wo ich später auch den Internetauftritt betreute.

1 Kommentar

  1. Also das ist jawohl nicht der erste „Frauen Sender“.
    Es gibt ja schlieslich seit einiger Zeit „Romance TV“ welcher sich mit seinen ganzen Schnulzen Sendungen auch an Frauen richtet.

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