DSL-Drosselung bei der Telekom ist Glückfall für Kabelnetzbetreiber

Logo der Telekom auf dem Dach
Bild: Deutsche Telekom

Die Kabelnetzbetreiber können ihr Glück wahrscheinlich noch gar nicht fassen. Die Deutsche Telekom hat gestern eine neue Tarifstruktur angekündigt, die Traffic-Grenzen mit Bandbreitendrosselung wie im Mobilfunk vorsieht. Angesichts der heftigen Kritik an ihren Plänen, scheint sich dieser Schritt für die Telekom zum Eigentor zu entwickeln, von dem vor allem Kabelinternet als DSL-Alternative profitieren könnte.

Flatrates für mobiles Internet haben diesen Namen noch nie verdient, denn bei Erreichen eines bestimmten Datenvolumens wird die Geschwindigkeit für den Rest des Abrechnungszeitraums auf ein Minimum reduziert. Die Deutsche Telekom versucht mit der gestern offiziell vorgestellten neuen Tarifstruktur das Modell des Traffic-Limits mit Datendrosselung auf das Festnetz zu übertragen. Der Konzern begründet dies mit dem rapide zunehmenden Datenvolumen im Netz und dem steigenden Druck, in die Netzinfrastruktur zu investieren.

Neue Tarifstruktur ab 2. Mai

„Wir wollen den Kunden auch in Zukunft das beste Netz bieten und dafür investieren wir weiterhin Milliarden. Immer höhere Bandbreiten lassen sich aber nicht mit immer niedrigeren Preisen finanzieren. Den Kunden mit sehr hohem Datenaufkommen werden wir in Zukunft mehr berechnen müssen“, betont Michael Hagspihl, Geschäftsführer Marketing der Telekom Deutschland. Wer ab dem 2. Mai 2013 einen Festnetzinternetanschluss bestellt, soll die gebuchte Bandbreite nur bis zum Erreichen eines bestimmten Datenvolumens nutzen können.

Folgende Volumina nennt die Deutsche Telekom:

Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 16 MBit/s: 75 GB
Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 50 MBit/s: 200 GB
Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 100 MBit/s: 300 GB
Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 200 MBit/s: 400 GB

Ab wann wird gedrosselt?

Angesichts der vielen wütenden Reaktionen von Telekom-Kunden in Kommentar-Bereichen und Social Media könnte man leicht übersehen, dass die Bandbreiten-Drosselung nicht für Bestandskunden und auch erst in einigen Jahren greifen soll. Der Zeitpunkt hänge von der Verkehrsentwicklung im Internet ab. „Wir gehen bisher davon aus, dass wir die Limitierung technisch nicht vor 2016 umsetzen“, so Hagspihl.

Für IPTV-Kunden der Deutschen Telekom wird die Entertain-Nutzung nicht auf das jeweilige Inklusiv-Volumen angerechnet. „Mit Entertain buchen die Kunden Fernsehen, deshalb werden wir sicherstellen, dass sie nicht plötzlich vor einem schwarzen Bildschirm sitzen“, erläutert Hagspihl. Sprachtelefonie und das in Zusammenarbeit mit Fon geplante WLAN TO GO (private WLANs als Erweiterung des HotSpot-Netzes der Telekom) sollen ebenfalls ausgenommen werden.

Nach Berechnungen des Konzerns benötigt ein durchschnittlicher Kunde lediglich 15 bis 20 GB Traffic pro Monat. Manchem erscheint das viel zu niedrig angesetzt, doch die zufälligerweise ebenfalls gestern von der Initiative D21 vorgestellten Daten zu den verschiedenen Internet-Nutzertypen in Deutschland zeigen einmal mehr, dass große Teile der Bevölkerung das Internet alles andere als intensiv nutzen. Der Normalnutzer wird die – bisher nur allgemein ohne konkrete Datenvolumina und Preise angekündigten – Zubuchoptionen daher nicht benötigen.

Schlechte Bedingungen für Video-on-Demand und Cloud Computing

Wer allerdings die Vorteile von Cloud-Speichern ausnutzen und Video-on-Demand-Angebote wie Maxdome, Lovefilm und WATCHEVER als Alternative zum linearen Fernsehen nutzen möchte, würde die genannten Traffic-Limits möglicherweise schon bald erreichen. Das gilt umso mehr für Familien, denn der „Datenverbrauch“ aller Nutzer an einem Anschluss summiert sich schließlich. Das birgt Konfliktpotenzial… Dann muss beispielsweise das Skypen mit den Verwandten ausfallen, weil jemand anders intensiv Online-Videos angeschaut hat.

Für die Anbieter von Cloud-Speicher und Onlinevideotheken stellt die vorgesehene Datendrosselung sogar eine Bedrohung ihres Geschäftsmodells dar. Für werbefinanzierte Fernsehsender dagegen – sofern sie nicht auf eine Verbreitung über eigene Livestreams oder Plattformen wie Zattoo angewiesen sind – könnte eine Traffic-Begrenzung an Internetanschlüssen dagegen die vorläufige Rettung ihres Geschäftsmodells sein, denn der TV-Empfang über Kabel, Satellit, DVB-T und IPTV wäre bei knapp bemessenem Internet-Traffic wieder ein Stück attraktiver.

Jetzt schon gewonnen haben die Wettbewerber, denn die Telekom hat sich durch Bekanntgabe ihrer Pläne ein Eigentor in puncto öffentliche Wahrnehmung geschossen. So viele negative Äußerungen von Internetnutzern und so viele negative Medienberichte gab es für den Konzern schon lange nicht mehr. Einige Telekom-Konkurrenten haben bereits Stellungnahmen abgegeben, wonach sie keine ähnlichen Beschränkungen für ihre Festnetzanschlüsse planen.

Die Kabelnetzbetreiber sind gut gerüstet

Am meisten profitieren könnten die Kabelnetzbetreiber, denn für „Kabel statt DSL“ entscheiden sich schon heute sehr viele Onliner, die ihren Provider wechseln, weil ihnen ihr Anschluss zu langsam ist. Für Kabel Deutschland, Unitymedia, Kabel BW, Tele Columbus, Primacom, NetCologne und andere Kabelunternehmen kommt die Aufregung über die Telekompläne zu einem sehr günstigen Zeitpunkt, denn in den letzten Jahren haben sie viel Geld in den Netzausbau investiert. Schnelles Internet über den Kabelanschluss mit bis zu 100 MBit/s (teilweise mehr!) mehr ist inzwischen auch in zahlreichen ländlichen Regionen verfügbar, wo DSL meist langsamer als in Großstädten und VDSL in der Regel gar nicht erst erhältlich ist.

Wenn die Kabelnetzbetreiber jetzt geschickt vorgehen, können sie sich sogar bei denjenigen DSL-Kunden, für die Kabelinternet bisher gar kein Thema war, erstmals als Alternative zu DSL-Providern ins Gespräch bringen. Denn obwohl sich die Zuwachsraten bei Kabelinternet in Deutschland sehen lassen können, ist die große Mehrheit der deutschen Internetnutzer via DSL online.

Negativ auswirken könnten sich die Telekom-Pläne außerdem auf die Nachfrage nach eigenen den besonders schnellen Anschlussvarianten, denn wozu benötigt man besonders hohe Datenraten, wenn einen der Internetprovider bald wieder ausbremst? Außerdem gilt: Das Angebot an legalen Diensten, für die sich ein Highspeed-Internetanschluss überhaupt lohnt, wird unter diesen Voraussetzungen sicher schlechter entwickeln.

Bild links oben: Deutsche Telekom

Über Oliver Springer 796 Artikel
Seit 2008 bin ich im Hauptberuf Blogger und schreibe für eigene Projekte und im Auftrag zu einer Reihe von Themen, darunter Telekommunikation, Medien, Video-on-Demand, Fernsehen, Kabelanschluss, IPTV, Instant Messaging, Musik und Kaffee. Als Serienfan interessiere ich mich besonders für Onlinevideotheken und Pay-TV. Vor meiner Zeit als Blogger hatte ich 14 Jahre lang als Moderator und Redakteur für den Radiosender JAM FM gearbeitet, wo ich später auch den Internetauftritt betreute.

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