Wird es am Ende des neuen Jahrzehnts noch TV-Sender geben?

Wie alle Mediengattungen wird das Fernsehen durch die Entwicklungen des Internets herausgefordert, sich zu verändern. Video-on-Demand ist dabei, die Fernsehgewohnheiten der Menschen zu verändern. In zehn Jahren wird das Medium Fernsehen nicht mehr dasselbe sein wie heute.

Mit Spekulationen über die Zukunft ist es so eine Sache: Es kommt meist anders, als man denkt. Dennoch wage ich zum Beginn des neuen Jahrzehnts die Behauptung, dass Video-on-Demand schon bald zum Fernsehalltag vieler Menschen gehören und bis 2020 die Fernsehlandschaft extrem verändern wird. Unabhängig von festen Sendezeiten der Fernsehsender fernsehen zu können, ist nicht neu. Das konnte man schon mit einem VHS-Videorekorder. Drei Faktoren trugen bzw. tragen ganz wesentlich dazu bei, dass überhaupt noch Menschen dann eine Sendung sehen, wenn sie ausgestrahlt wird.

Die analogen Videorekorder mit ihrer begrenzten Aufnahmekapazität machten es einem nicht gerade leicht, den Fernsehgenuss zeitlich komplett von der Ausstrahlung der TV-Sender abzukoppeln. Moderne Festplattenrekorder bzw. Festplattenreceiver können hunderte Programmstunden auf ihren Festplatten speichern. Überhaupt bieten die digitalen Videorekorder Vorteile, die ihre analogen Vorgänger alt aussehen lassen.

Noch wichtiger ist meiner Ansicht nach jedoch der menschliche Faktor: Gewohnheiten ändern sich nicht so schnell, viele Mediennutzer bleiben bei dem, was sie kennen. Sich einfach auf die Couch fallen zu lassen und auf der Fernbedienung herumzudrücken, ist einfacher, als vorher in einer Programmzeitschrift eine Sendung auszuwählen und am Videorekorder zu programmieren. Mit der Programmierung ihres Videorekorders waren viele Menschen überfordert, obwohl das nicht schwieriger ist, als sich alleine die Schuhe zuzubinden.

Die mit digitaler Technik aufgewachsene Generation (Stichwort Digital Natives) kommt mit ihren digitalen Videorekodern jedoch gut zurecht. Zudem ist sie es gewohnt, Medieninhalte auf Abruf bzw. individuell zu nutzen. Die Werbung der privaten Free-TV-Sender so innerhalb von Sekunden zu überspringen, ist für viele junge TV-Nutzer bereits Normalität. Das Geschäftsmodell der kommerziellen Free-TV-Sender ist nur deshalb noch nicht zusammengebrochen, weil bisher doch noch eine ganze Menge Leute an ihren alten Fernsehgewohnheiten festhält. Selbst wenn die „älteren“ Fernsehzuschauer ihre Fernsehgewohnheiten nicht ändern, sorgt das Nachwachsen junger Zuschauer mit der Zeit für Veränderungen, denen sich die über Werbung finanzierten Sender nicht verschließen können. Und dann sind da schließlich noch zahlreiche Nutzer, die sich illegale Kopien von Filmen und Serien aus dem Netz ziehen.

Ohne illegale Downloads rechtfertigen zu wollen: Kann man auf legalem Wege nicht an die Inhalte kommen, gedeihen die illegalen Strukturen umso besser. Die Musikindustrie hat das viel zu spät erkannt und hatte das Pech, dass bereits die ersten DSL-Anschlüsse ausreichend Bandbreite für den massenhaften Download boten. Mit schnellem Kabelinternet und VDSL landen aber selbst HD-Filme in kurzer Zeit auf der Computerfestplatte. Externe Festplatten bzw. Netzwerk-Festplatten werden immer leistungsfähiger und billiger, moderne Flachbildfernseher bieten die passenden Anschlussmöglichkeiten und die noch in ihren Anfängen steckende Heimvernetzung wird die Nutzung digitaler Inhalte in der ganzen Wohnung ebenfalls stark vereinfachen. Die Nutzer wollen sich bestimmte Inhalte ansehen, bequem, jederzeit und am besten kostenlos. Es handelt sich dabei auch um einen Mentalitätswandel, der dem linearen Fernsehen meiner Ansicht nach keine große Zukunft mehr verheißt.

Das Jahr 2009 brachte bereits große Fortschritte bei Video-on-Demand. So haben einige Free-TV-Sender ihre Videoportale erneuert, öffentlich-rechtliche Fernsehsender haben sich stark bei ihren Mediatheken engagiert; die Tagesschau soll sogar eine eigene App für das iPhone bekommen. Das Angebot an kostenlosen Videos mit TV-Inhalten ist stark angewachsen. Waren es zunächst fast nur Eigenproduktionen der Fernsehsender, die gratis online abrufbar waren, sind inzwischen sogar US-Serien wie CSI gratis online abrufbar. Gratis sind viele TV-Inhalte zwar meistens nur für sieben Tage nach TV-Ausstrahlung, anschließend muss für den Abruf bezahlt werden, aber genau das könnte das zukünftige Geschäftsmodell der Free-TV-Sender werden.

Die Online-Videothek Maxdome hat ihr Angebot an jederzeit abrufbaren Inhalten nicht nur auf mittlerweile über 25.000 Titel ausgeweitet, sondern wichtige Neuerungen wie Downloads und HD-Videos eingeführt. Die Kabelnetzbetreiber Kabel BW und Kabel Deutschland wollen im neuen Jahr eigene Video-on-Demand-Angebote starten, was viel Schwung in den Markt bringen könnte.

Es ist meiner Meinung nach der richtige Weg, den Zuschauern auf diese Weise legale Angebote zu machen. Wozu man die Fernsehsender auf Dauer dabei noch braucht, ist allerdings eine wichtige Frage. Die Inhalteproduzenten könnten ihre Inhalte auch direkt anbieten bzw. Videoportalen zur Verfügung stellen. Die eigenen Videoportale auszubauen, ist für die Fernsehsender daher strategisch äußerst wichtig. So richtig dieser Schritt ist: Er beschleunigt die Veränderungen beim TV-Konsum. Besonders die jungen Zuschauer, die als angeblich werberelavante Zielgruppe gelten, verabschieden sich so noch schneller vom herkömmlichen Fernsehen. Die Tage des linearen Fernsehens als Leitmedium und Unterhaltungsmedium Nummer eins sind gezählt.

Aber das ist nicht schlimm, besonders nicht für die Fernsehzuschauer. Sie werden weiterhin die Wahl haben zwischen kostenlosen TV-Inhalten und solchen, für die sie im Einzelabruf oder über eine monatliche Gebühr bezahlen. Kostenloses Video-on-Demand ersetzt das Free-TV. Werbespots, die viel besser auf den einzelnen Nutzer zugeschnitten sind, ermöglichen es, Streuverluste zu verringern. Der Zuschauer muss sich nur noch solche Werbung ansehen, die zu ihm passt. Das bedeutet: kurze Werbeblöcke statt lange Werbeblöcke. Wer sich seine Lieblingsserie nicht an der spannendsten Stelle von Werbung unterbrechen lassen möchte, zahlt wie beim Pay-TV eine Gebühr bzw. den Preis für den Einzelabruf.

Die Abwanderung von immer mehr (besonders von jungen) Zuschauern führt bei den kommerziellen Free-TV-Kanälen dazu, dass ihre Zuschauer für die Werbetreibenden immer unattraktiver werden. Das wiederum heißt, dass an der Programmqualität gespart werden muss. (Allerdings: Wechseln die Zuschauer beispielsweise nur vom RTL-Hauptprogramm zu RTL NOW im Internet, schlägt das natürlich nicht voll durch.)

FAZIT: Das Fernsehen verändert sich. Spielfilme, TV-Serien, Dokumentationen, Musik, Shows und Sport werden bestimmt auch in zehn Jahren noch viele Menschen auf der Couch sitzend genießen. Ob allerdings Fernsehsender, wie wir sie heute kennen, diese Inhalte auf die großen Bildschirme in den Wohnzimmern bringen werden, ist etwas anderes. Viele Menschen werden in den kommenden zehn Jahren umsteigen auf Video-on-Demand. Um abschließend eine Antwort auf die Frage in der Artikelüberschrift zu geben: Ja, es wird noch Fernsehsender geben, aber ihre Bedeutung wird weit geringer sein als heute. Vielleicht stecken sie in einer Krise wie aktuell die Zeitungsverlage. Die Zukunft gehört dem Internet.

Über Oliver Springer 796 Artikel
Seit 2008 bin ich im Hauptberuf Blogger und schreibe für eigene Projekte und im Auftrag zu einer Reihe von Themen, darunter Telekommunikation, Medien, Video-on-Demand, Fernsehen, Kabelanschluss, IPTV, Instant Messaging, Musik und Kaffee. Als Serienfan interessiere ich mich besonders für Onlinevideotheken und Pay-TV. Vor meiner Zeit als Blogger hatte ich 14 Jahre lang als Moderator und Redakteur für den Radiosender JAM FM gearbeitet, wo ich später auch den Internetauftritt betreute.

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